Vergangenes Wochenende besuchte ich den Grundkurs zum J&S-Leiter. Trotz straffem Zeitplan blieb auch Zeit um über Fragen wie: „Warum betreibt ihr Karate?“ zu diskutieren. Die Antworten waren sehr vielfältig, doch die meisten waren sich einig: „Ich habe Karate Kid gesehen und mir gedacht: das will ich auch können.“ Meine Geschichte verlief etwas anders:
Mit Karate begonnen habe ich, weil ich mit damals 9 Jahren einer guten Schulfreundin aus Prinzip nacheiferte. Wo auch immer sie hinging, folgte ich ihr. So führte mich mein Weg auch in die Brugger Turnhalle und somit ins Karatetraining. Mir gefiel der Sport, die Bewegungen, die vielen Kinder und der Schwarze Gurt. Ich glaube alleine das unbändige Verlangen, den Schwarzen Gurt auch selbst mal tragen zu können, verhalf mir dazu einige Jahre mit Disziplin das Training zu besuchen.
Nach einiger Zeit stand ich direkt neben 2 Schulfreundinnen in der Reihe und wir wurden ein enges Dreiergespann: wir trainierten gemeinsam, wir besuchten gemeinsam Kurse, versuchten gemeinsam unser Glück an Turnieren und besuchten schlussendlich auch gemeinsam das Nati-Training in Niederbipp. Obwohl diese „Dreiecks-Beziehung“ nicht immer einfach und von absolutem gegenseitigem Verständnis zeugte, glaube ich, dass sie uns alle drei im Eifer bestärkt hat.
Als Kind war die neue Gurtfarbe noch immer Ziel Nummer 1. Doch nach einigen Missversuchen an Turnieren wurde auch das Verlangen nach einer Medaille sehr stark, zumal eine meiner Dreier-Freundinnen mehrmals erfolgreich teilgenommen hatte. Als ich zum ersten Mal auch in Kumite (Kampf) starten durfte, ging mein Wunsch in Erfüllung und die Freude an Turnieren, die unter den Misserfolgen gelitten hatte, war wieder von Neuem erweckt.
Der wichtigste Meilenstein war im Rückblick eindeutig der Schwarze Gurt. Die Nervosität war unermesslich und die Freude danach gross, doch glauben konnte ich es lange nicht. Es schien so unwirklich, dass das Ziel, das ich mir als 9-Jährige gesetzt hatte, nun endlich tatsächlich erreicht war. Als kleines Mädchen glaubte ich, der Schwarze Gurt sei Sinnbild für Perfektion. Nach einiger Zeit, jahrelangem Training, und dank zunehmendem Alter und Verstand J, weiss ich es heute besser: Ich habe noch einen langen Weg vor mir, wenn ich nach Perfektion streben möchte. Karate ist ein Lifetime-Sport und findet niemals ein Ende. Stets kann man besser werden und immer gibt’s was Neues zu lernen. Das ist faszinierend!
Doch warum eigentlich 11 Jahre Karate? Heute denke ich, dass die Menschen, die ich ohne Karate wohl nie kennen gelernt hätte, wesentlich dazu beigetragen haben, dass ich solange aktiv im Verein mitmache. Ich denke dabei an Menschen, die mir in verschiedenen Lebenssituationen geholfen haben, sei das auch nur indem sie mir ein zweites Zuhause geschaffen haben, in dem ich mich austoben konnte, wo ich meine Aggressionen abbauen, vielerlei Enttäuschungen und Schwierigkeiten vergessen konnte.
Ohne Karate wäre ich sicher nicht der Mensch geworden, der ich heute bin. Ich wurde dank diesem Sport in meiner Selbstsicherheit, meiner Selbstdisziplin und Sozialkompetenz gestärkt.
Wenn mich jemand fragen würde, weshalb man Karate betreiben sollte, würde ich nicht nur die Bestärkung in den oben erwähnten Eigenschaften erwähnen, sondern auch über die sportlichen Vorteile diskutieren: Die Koordination, der Orientierungssinn, die Motorik und das Körpergefühl wird geschult. Was will man noch mehr? Ausserdem hat sich unser Verein in den letzten Jahren prächtig entwickelt. Die Atmosphäre im Training ist einladend und wir verstehen uns auch ausserhalb der Turnhalle sehr gut: Das Goldwaschen war ein riesen Spass!
Alles in allem: Ich habe meine Sportart gefunden, ich habe den Verein entdeckt, in welchem ich mich wohl fühle und ich habe in diesen 11 Jahren Menschen kennen gelernt, die einen festen Platz in meinem Herzen eingenommen haben.
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